Urteil des Landesverfassungsgerichtes: FDP bleibt in Schwentinental ohne Fraktionsstatus
Das Landesverfassungsgericht hat am vergangenen Freitag (02.02.2024) die Klage der Landtagsfraktionen von FDP und SSW bzgl. der Kommunalrechtsänderungen abgewiesen. Die FDP bleibt damit in Schwentinental ohne Fraktionsstatus.
Eine Sache vorweg: Formaljuristisch mag das Urteil des Landesverfassungsgerichtes vielleicht korrekt sein. Nichtsdestotrotz nimmt die Demokratie auf der kommunalpolitischen Ebene mit diesem Urteil großen Schaden.
Das Landesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil das Gesetz zur Änderung der kommunalrechtlichen Vorschriften vom 24. März 2023 für mit der schleswig-holsteinischen Landesverfassung für vereinbar erklärt. Die schwarz-grüne Landesregierung hatte im vergangenen Jahr - kurz vor der Kommunalwahl - in einem Hauruckverfahren die Fraktionsmindeststärke in größeren Kommunalvertretungen (ab 31 Sitzen) von zwei auf drei Personen erhöht. Die Landesregierung hatte diese Änderung damit begründet, dass man mit der Anhebung der Fraktionsmindeststärke die Arbeit der Kommunalvertretungen effizienter gestalten möchte.
Das Gericht folgte in seinem Urteil im Kern den Ausführungen der Landesregierung und schreibt in Rdnr. 101
„Die Anhebung der Fraktionsmindestgröße kann zur zeitlichen Entlastung der Vertreterinnen und Vertreter in den Vertretungskörperschaften beitragen. Dafür spricht schon, dass nur Fraktionen das uneingeschränkte Recht haben, dem Vorsitzenden der Gemeindevertretung bzw. des Kreistages die Aufnahme eines Gegenstandes in die Tagesordnung zu erzwingen und somit aus einer geringeren Zahl von Fraktionen auch weniger Beratungsgegegstände folgen dürften.“
Und hier liegt die Krux an der Sache. Denn die kommunalpolitische Wirklichkeit und die Konsequenz, die aus dieser Gesetzesänderung resultiert, ist eine ganz andere. Hier einige Beispiele:
- In der Stadtvertretung Schwentinental gibt es seit der Kommunalwahl 2023 fünf Fraktionen (CDU, SPD, SWG, Grüne, GvO) und zwei Einzelvertreter der FDP. In den Sitzungen der Stadtvertretung spricht in der Regel der Fraktionsvorsitzende jeder einzelnen Fraktion zu den Tagesordnungspunkten. Vor der Kommunalwahl 2023 waren dies sechs Fraktionsvorsitzende (CDU, SPD, SWG, Grüne, GvO und FDP). Zukünftig werden zu den Tagesordnungspunkten fünf Fraktionsvorsitzende und zwei Einzelvertreter (insg. sieben Personen) sprechen.
- In der Geschäftsordnung der Stadtvertretung Schwentinental steht in § 2 „Ältestenrat“, dass sich der Ältestenrat aus der Bürgervorsteherin oder dem Bürgervorsteher und den Fraktionsvorsitzenden der in der Stadtvertretung vertretenen Fraktionen sowie den fraktionslosen Mitgliedern der Stadtvertretung zusammensetzt. Zukünftig wird also eine Person mehr an den Ältestenratssitzungen teilnehmen, denn die beiden fraktionslosen Einzelvertreter haben nach der Geschäftsordnung das Recht dazu.
- In der Vergangenheit wurden des Öfteren Arbeitsgruppen gebildet, um wichtige Themen für die Beratungen in den Selbstverwaltungsgremien vorzubereiten (bspw. für die Erweiterung der Feuerwehr Klausdorf). Möchte man zukünftig alle Meinungen in diese Gruppen miteinbeziehen, muss man konsequenterweise einen Vertreter jeder Fraktion und die beiden Einzelvertreter in diese Arbeitsgruppen berufen. Faktisch also eine Person mehr.
Schon diese Beispiele zeigen, dass die Arbeit der Kommunalvertretungen damit in keiner Weise effizienter gestaltet wurde, sondern vielmehr die Gefahr besteht, dass sich Diskussionen und Debatten länger ziehen.
Nun kann man natürlich argumentieren, dass die FDP ja bspw. weiterhin mit nur einer Person an den Sitzungen des Ältestenrates oder den Arbeitsgruppen teilnehmen könnte. Oder es ausreichend ist, wenn in den Debatten in der Stadtvertretung nur ein FDP-Vertreter spricht, weil die beiden Einzelvertreter ja nun einmal beide aus der FDP kommen. Und genau dies werden die anderen Parteien/Fraktionen jetzt vermutlich auch fordern. Damit würde man die FDP aber wie eine Fraktion behandeln, ohne ihr die weiteren Fraktionsrechte (Ausschusssitze, etc.) zuzugestehen. Und genau damit macht sich das Machtkalkül der großen Parteien deutlich und die Demokratie nimmt Schaden. Denn im Kern geht es nicht darum die Arbeit der kommunalen Vertretungen effizienter zu gestalten (siehe meine Ausführungen oben), sondern die politische Einflussnahme der kleineren Parteien zu begrenzen.
Zudem verkennt das Landesverfassungsgericht, dass die kommunalpolitische Arbeit durch die Menschen lebt, die diese Arbeit auf sich nehmen. In der heutigen, schnelllebigen Zeit kann man froh sein, wenn Menschen diese Arbeit - neben Familie und Beruf - leisten wollen. Das Landesverfassungsgericht schreibt in seinem Urteil selber, dass viele Kommunalpolitiker mehr als 20 Stunden in der Woche für das Ehrenamt aufbringen. Fraktionsvorsitzende sogar bis zu 30 Stunden (vgl. Rdnr. 100). Dass die Landesregierung mit dieser Gesetzesänderung der Kommunalpolitik in Schleswig-Holstein einen Bärendienst erwiesen hat, weil ggf. zukünftig immer weniger Menschen dazu bereit sein werden, in das kommunalpolitische Ehrenamt zu gehen, da man im schlimmsten Fall als Einzelvertreter die Arbeit vollständig alleine machen muss, übersieht das Gericht leider komplett.
Und ein letzter Gedanke: Leider geht das Landesverfassungsgericht in seinem Urteil gar nicht auf die Besonderheit ein, dass in vielen Kommunen einige Parteien an der Fraktionsmindeststärke gescheitert sind, weil die kommunalen Vertretungen wegen Überhang- und Ausgleichsmandaten „künstlich aufgebläht“ wurden. Im Normalfall besteht bspw. die Stadtvertretung in Schwentinental aus 23 Stadtvertreterinnen und Stadtvertreter. Nur, weil die CDU bei der letzten Wahl zahlreiche Direktmandate gewonnen hat, ist die Stadtvertretung auf 32 Personen angewachsen. Im Normalfall würden daher zwei Personen für die Bildung einer Fraktion ausreichen. Aber wegen der Überhang- und Ausgleichsmandaten sind nun drei Personen notwendig.
Es stellt sich also eigentlich die Frage, ob man einer Partei, die bei der Kommunlawahl 2023 das Wahlergebnis im Verglich zu den vergangenen Wahl sogar deutlich verbessern konnte, den Fraktionsstatus verweigern kann, nur weil eine andere Partei viele Direktmandate gewinnen konnte. Diese Frage lässt das Verfassungsgericht gänzlich unbeantwortet. Aus unserer Sicht ist hier im Wahlrecht eine deutliche Unwucht, die der Gesetzgeber eigentlich korrigieren müsste.
Für uns steht jedenfalls fest, dass wir den Kopf - trotz dieses Urteils - nicht hängen lassen. Wir werden unseren Wählerauftrag bis zur nächsten Kommunalwahl im Jahre 2028 mit vollem Engagement erfüllen. In Zukunft werden wir uns halt immer „doppelt“ zu Wort melden. Insofern hat die ganze Sache vielleicht auch etwas Gutes!
In diesem Sinne…weitermachen…
HIER noch einmal das ganze Urteil für die Lektüre.
(Gedanken zum Urteil des Landesverfassungsgerichtes von Jan Voigt)